französisches Hammelfleisch

Meine liebe Lydia!

Jetzt der gestern mit Karte angekündigte lange Brief. Es ist jetzt 12 Uhr nachts. Ich sitze hier im Wachlokal. Vor mir auf dem Tische steht eine schlecht leuchtende Petroleumlampe. Die nicht auf Posten stehenden Mannschaften liegen teils auf der Britsche [sic], teils auf Bänken und schlafen. Rechts neben mir sind 2 Arrestzellen mit bestraften Chaffeuren [sic] besetzt. Der ganze Raum sieht kellerähnlich aus, besitzt eine Tür und wird durch kleine Fenster spärlich tagsüber belüftet. Ein gut geheizter Ofen bringt etwas Leben in diesen Raum. Der Posten vor Gewehr geht auf dem Straßenpflaster auf und nieder und öffnet durch die Zeit rein und raus fahrenden Automobilen, Munitionskolonnen, Offizieren etc das schwer eiserne Tor. So nun kannst Du Dir ungefähr meine Lage denken.
Einige Korrespondenzen habe ich schon erledigt, so 1 Karte an Fritz Wilke, Ew. Machelett und Bernh. Noell. Von letztem empfing ich heute einen Feldpostbrief mit 5 Cigarren, Ich denke, er wird wohl allen Kriegervereinsmitgliedern eine solche Liebesgabe zugeschickt haben. Lehrer Buck sagte mir, er bekäme fast regelmäßig alle 8 Tage einen solchen Feldpostbrief von ihm. Soeben ging die „Runde“ vorbei und revidiert die ausgestellten Posten, wird wohl gleich dann auch im Wachlokal erscheinen, um seinen Revisionsvermerk im Wachbuche einzutragen. Außer drei Westfälinger (von Neuenrade u. Werdohl) sind die anderen Mannschaften Frankfurter. In dieser Woche haben wir infolge Ruhrkrankheit den ersten Toten gehabt. Er ist im Lazarett in Metz heimgegangen. Ein Brief von seiner Frau kam gerade an, in dem Sie [sic] ihm den Besuch für den nächsten Tag in Aussicht stellte. Als Letztes ist ihm von den Untfz u. Mannschaften der Comp. 1 Kranz gespendet worden. Ueberhaupt sind in letzter Zeit viele ins Lazarett wegen Ruhrverdacht oder in die Krankenstube gekommen. Nachdem man gehörig desinfiziert hat, geht es besser. Z. B. ist alles Obst essen verboten, Wasser darf nur gekocht getrunken werden, u.s.w. Heute und gestern sind von hier die ersten fertig ausgebildeten Artilleristen, bestehend aus Ersatz-Reservisten und Kriegsfreiwilligen nach der Front abgegangen. Einige sind zurückgeblieben, die nicht für garnisonsfähig befunden worden sind. So hatte ich Gelegenheit mit einem Kriegsfreiwilligen aus Dortmund heute morgen zu sprechen, der garnicht damit einverstanden war, daß man ihn nicht mit in Feindesland geschickt hatte. Die Begeisterung reißt aber alle fort und all möchten gerne Aug in Aug dem Feinde gegenüberstehen. Heute früh hört man wieder, auch gestern, unsere Kanonen mit 42cm Zwillenweste vor Toul und Verdun ganz gewaltig sprechen und kommen unsere Truppen ja auch jeden Tag, den Berichten nach langsam, aber sicher weiter. Hoffen wir, daß der Fall nahe bevor steht, damit nicht mehr allzu viel Blut zu fließen braucht. Wie ich Dir bereits schon schrieb haben wir hier jetzt, ein militärisches Leben wie früher in der Aktiven Dienstzeit, nur mit dem Unterschied, daß die Landwehr II eine kollosale [sic] Ruhe hat. Dafür war auch so recht bezeichnend eine Anekdote, die ich dieser Tage in der Frankfurter Zeitung las. Diese lautete: 1000 M demjenigen, der die preußische Landwehr aus der Ruhe bringt. Doch es muß ja etwas gemacht werden, damit wir in der Uebung bleiben. Ob wir nun immer hier liegen bleiben, ja das möchtest gewiß gerne wissen. Unser Batl. ist zur Besetzung von Metz für den Abschnitt 6 bestimmt und so lange an der Kriegslage keine entscheidende Änderung eintritt, kann ich wohl sagen, daß wir bestimmt liegen bleiben. Fallen die oder eine Festung dann werden wir womöglich zur Besatzung der eroberten Teile herangezogen, da dann Metz doch frei wird. Also, Du kannst nur beruhigt sein, daß wir nicht direkt ins Feuer kommen, steht wohl unter diesen Umständen fest. Es geht mir auch nicht wie dem Dortmunder Freiwilligen. Wenn es nötig ist, gewiß tun auch wir unsere Pflicht, im übrigen hat man auch doch seine, resp. habe ich doch auch meine Gedanken bei Euch allen, mehr wie sonst in dieser so ernsten Zeit. Doch wir müssen stark sein, und wenn Gott will, werden wir uns in nicht allzu langer [Zeit] glücklich wieder finden. So nun ist es zwei Uhr und muß ich die Posten aufziehen, bzw. ablösen lassen. – So das wäre fertig und nun weiter. Ich glaube, es ist wohl richtig, wenn Du mir auch noch Handschuhe schickst, nun weiß ich allerdings nicht, welche Farbe, ich will mal morgen danach fragen und dann schreibe ich Dir genauer. Wenn ich mal das bestellte große Paket erhalte, dann will ich auch einige Wäsche Dir zuschicken, vor allen Dingen Strümpfe. 2 paar bekommen bedenklich große Löcher. Die anderen sind aber noch ganz heil. Dafür müßte ich dann natürlich Ersatz haben. Heute habe ich eine Hautjacke zum erstenmale angezogen, paßt ganz gut, nur um den Hals viel [zu] weit. Von Dir habe heute keine Post erhalten, von Schmeling eine Karte. Er schreibt, daß er wahrscheinlich einige Tage in Urlaub fahren könnte, im übrigen hoffte er bald von Gaubischofsheim wegzukommen. Einer aus unserer Comp., der heute aus dem Lazarett gekommen, bekommt, oder vielmehr hat 14 Tage Erholungsurlaub nach Frankfurt bekommen. Sonst giebt es hier für uns absolut keinen Urlaub. Es hatten einige mal eingereicht, doch ist er glatt abgelehnt worden. Speckenbach sagte mir heute, daß er seiner Frau bis jetzt erst einen einzigen Brief geschrieben, ohne Karten, er wüßte nicht was er schreiben sollte. Dann mußt Du mich doch loben, nicht wahr? – Die Runde kommt nicht rein, der zurückkehrende Posten bringt mit, ich soll „revidiert“ eintragen, sie will morgen unterschreiben. Auch gut so. Wie stehts mit Dir, kannst Du Deine Arbeit auch alle verrichten, ich habe Dich früher im Briefe schon mal danach gefragt? Lade Du mir nur nicht mehr auf wie Du gut kannst. – So, das wollte ich Dir noch sagen, ich habe jetzt früh morgens schon immer einen riesigen Appetit. Ich kann zum Kaffee, ungefähr ½ Liter trinke ich jeden Morgen, direkt zwei dicke „Knippen“ Kommisbrot essen. Im übrigen essen wir mit den Mannschaften aus einem Topf, und verzichten wir Mittags auf unsere Portion Fleisch und lassen uns die für den Abend als Braten, Gulasch etc von dem Koch zurecht machen. Dazu bekommen wir den [sic] manchmal Salat, Kartoffelsalat, oder Salzkartoffel mit Souce [sic]. Dafür giebt dann jeder dem Koch, für seine besondere Mühewaltung und evtl. Zutaten 10 – 20 ₰ pro Abend. Neben mir haben [sic] ich noch einen ganzen Stoß Zeitungen liegen, die will ich gleich, wenn ich den Brief fertig habe, noch lesen, dann geht die Zeit schneller rum. Das sind der Bochumer Anzeiger, den bekommt Speckenbach, dann den Dortmunder Generalanzeiger und das Altenaer Kreisblatt von Husberg gehalten und auch noch die Frankfurter Zeitung. Somit für heute genug. Hoffentlich seid Ihr noch alle gesund, wie ich es bin. Morgen mehr. Grüße Remscheids. Besonders grüßt und küßt Dich, auch unsere lieben Kinder
Dein Ernst.
NB. Will jetzt mal ein Stückchen Choclade [sic] von Deiner Hand essen, wenn ich könnte gäb ich Dir 1 Stück mit, doch Du magst ja keine.

Gestern haben wir französ. Hammelfleisch gegessen!


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