Schlechte Reimstücke aus den Schützengräben

Meine liebe Lydia
Gestern Abend empfing ich Deine Briefe vom 24. und 26. und Egons Karte, sowie 1 Brief mit Zeitungen. Ausnahmsweise wurde den Unteroffizieren die Post zugebracht. Offiziere und Feldwebel bekommen diese direkt jeden Tag in Stellung. Zunächst zur Beantwortung Deiner Briefe folgendes: Daß die vom 30er Landwehr Rgt immer sich wahrsagen lassen, war mir schon durch Aug. Inacker bekannt. Es ist wohl bei allen Phantasie, auch bei den Rahmedern dort, wie hier vorhanden. Aber wie kann Deutschland jetzt den Frieden schaffen? Erst müssen, nach meiner Ansicht noch ganz andere Schläge hier im Westen zu unsern Gunsten ausfallen, die noch viel an Gut und Blut kosten dürften. Auch muß England erst eingesehen haben, daß es den Aushungerungskrieg nicht durchsetzen kann. Allerdings die gespannte Lage zwischen Japan und China dürfte auch den Frieden näher erscheinen lassen, da England auch dort stark interessiert ist. Hoffen wir, daß der Frieden schneller kommt als wir denken. Wir malen es uns hier schon immer aus, wenn es hieß, es sei Friede. Ra. hätten wir auch eigentlich schreiben können, sofort nachdem er gezogen war, betreffs Entscheidungen in Geschäfte, die vor allen Dingen die Versorgung beider Familien sicher stellen muß. Will ihm aber nicht vorgreifen, und seine Antwort abwarten. Vorläufig hat es noch keinen Zweck Ebinghaus zu Rate zu ziehen, solange noch einer im Geschäft ist, können wir es selbst regeln. Der Fall könnte oder müßte eintreten, wenn wir beide weg wären, oder ich fallen würde. Lassen wir auch hier Gott helfen und es wird alles zum Guten kommen. Auf alle Fälle muß, falls er weg muß, genügend Geld für Euren Unterhalt bereit gestellt werden. Alle andern müssen dann bis nach dem Kriege warten. Und wir verlangen dann noch die M 680,00 die er uns vor hat, extra. Es freut, daß Elly zu Dir gekommen ist und so einer am anderen eine Stütze hat. Cognak etc schicke nicht mehr, ist doch mit Umständen verbunden und die Witterung ist auch schon wärmer und ist der Alkohol gut zu entbehren, ebenso keinen Zucker mehr, da ich den in der Kantine billig kaufen kann. Vorläufig habe ich auch Würfel genug. Ueberhaupt könnten wir in den Paketen sparen, soviel haben wir gar nicht nötig. Ab und zu mal Wurst, Butter und mir wäre geholfen. Hier könnten wir ganz gut auch sparen.
Nun mal meine Erlebnisse in den letzten Tagen, beginnend mit dem Rückmarsch aus Werwick. Schlaf gab es nicht viel. Um 10 Uhr kamen wir erst ins Bett, um 1 Uhr wurde geweckt. 230 war Abmarsch. Erst gutes Wetter, dann nach dem wir 1 Stunde marschiert, setzte Regen u. Schnee und Hagelschauer ein mit einem kolossalen Wind. Das Ende davon war, daß wir alle bis auf die Haut durchnäßt in Corteville anlangten. Nachdem wir dort die Munition ergänzt hatten, hatte sich das Wetter gestellt, und es ging in Stellung als Reserve in den Granatwald. Zum Glück bekamen wir eine einigermaßen gute Erdhöhle. Zunächst schlugen wir uns in eine Decke, dann wurde Holz geholt und Feuer gemacht. Kräftiger Kaffee und Bouillon gebraut und am andern morgen war[en] wir wieder ganz trocken. Die Hose hatte ich an, hat sich gut bewährt, wenn auch nicht wasserdicht, so hatte sie doch viel Wasser abgehalten und nachdem ich sie sofort auszog, war ich mithin einigermaßen trocken. Gestern war nun wieder alles in der Reihe. Heute und morgen sind wir nun in vorderster Stellung.
Bis jetzt hatten wir, Gott sei Dank, noch keine Verluste. Es ist jetzt 12 Uhr mittags. Habe soeben Mittagsbrot eingenommen und so eine kleine Pause gehabt. Komisbrot und Butter und den letzten Rest der Mettwurst von Hause, dazu 2 Trinkbecher voll ½ l Bouillon getrunken. Das eigentliche Mittagessen giebt es bei uns wie Dir bekannt ist erst des Abends. Liege mit noch einem Untfz aus Hilden in einem Unterstande zusammen. Der ist gerade dabei mit Femheloul [?] gegen Ungeziefer einzufetten. Sie beißen ihn dann nicht mehr. Ob ich auch damit behaftet bin, weiß ich nicht, gefunden habe ich noch keine, aber selten ist einer frei hier davon. Die Schrift ist heute etwas viel schlecht. Du mußt aber meine Lage berücksichtigen dabei. Ich sitze auf dem Boden auf Stroh, die Beine kann ich nicht einmal ganz rausstrecken, benutze meine Brieftasche, die ich auf die Knie gelegt habe, als Schreibpult. Ziemlich dunkel ist es auch, sodaß ich nicht immer die Linie sehen kann. Vor einigen Wochen hatten wir, ich und noch 2 Unteroffiziere ein Reimstück im Schützengraben gemacht, welches eine Gang von Corteville zum ersten Schützengraben behandelt und an die Hagener Zeitung geschickt. Diese hat jedoch, weil ihr zuviel solcher schlechten Gedichtchen zugeschickt werden, von der Aufnahme abgesehen und nur einen Gruß von uns zweien, der einer ist kein Abonnent, eingedruckt, den Du auf beiliegendem Zeitungsausschnitt1 findest. Vielleicht interessiert es Dich und lasse ich es folgen auf der nächsten Seite. Sonst wüßte ich nichts Neues. Es heißt es ging von hier aus wieder 4 Tage nach Werwick. Wegen des langen Marsches ist es mir lieber, wenn wir in Corteville bleiben. Die Erholung ist in Werwick besser. Nun Gott befohlen. Grüße unsere lieben Kinder und Elly (Frau Trimpop) und Hugo.
Besonders sei Du allerbeste herzlichst gegrüßt und geküßt von
Deinem Ernst
Bei Beendigung des großen Russensieges läuteten auch hier in Belgien die Kirchenglocken. Wir konnten dies in Stellung hören.


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