Meine liebe Lydia!
Gestern Abend bekam ich mit der Post Deinen langen Sonntagsbrief, Egons Brief, 1 Karte von C.W. und eine von Ida W. und noch 1 Briefchen von Lisette aus Wiblingwerde, allerhand was.
Zunächst meine Erlebnisse bis heute. Es ist 2 Uhr jetzt. Die Nacht hatte ich Dienst von 9 – 1 Uhr. Es hat fast die ganze Nacht durch geregnet und auch heute morgen, es ist daher so richtiger Schlamm hier, alles nimmt sich auf. Es war die Nacht sonst ziemlich ruhig. Gestern am Tage hatten wir 2 Leichtverwundete, 2 aktive. Der eine bekam einen Bauchstreifschuß und der andere einen Handgelenk Schuß. Von ein Uhr ab habe ich dann geschlafen bis um 9 diesen morgen, dann gefrühstückt. Wie ich eben mit dem Frühstück fertig war, bekam ich Besuch aus der Nachbar-Compagnie: Husberg. Er ist zum Vizefeldwebel befördert. Haben uns dann noch so über allerlei unterhalten, dabei eine Cygarre geraucht. Und so war es mittlerweile 11 Uhr geworden. Husberg verabschiedete sich dann. Die haben in der Comp. während der Tage 1 Toten und 7 Verwundete gehabt. Nun war es Zeit für mich, mich mal nach meinen Arbeitsgruppen, die schon seit 8 Uhr tätig waren, umzusehen. Dann bin ich umgezogen. Müller ist nämlich heute morgen zurückgegangen, um mal 14 Tage in Urlaub zu gehen, nun führe ich den 2.Zug. Unser Comp. Führer ist ebenfalls gegangen. Haben solange einen Vertreter für den aus einer anderen Comp. bekommen. Und so mußte ich mich in die Deckung, welche Müller innegehabt begeben. Heute fährt die 3. Rate. Sonst wüßte ich nichts Besonderes. Nun zu Deinem Briefe. Du wirst mir doch ja nicht ernstlich krank werden wollen. Laß Dich der Vorsicht halber mal von Dr Simon untersuchen. Und wenn Dir die Arbeit zu viel wird, schreibe Elise, daß sie hilft. Egon und Marga haben dann auch wohl etwas in der Haut. Letztere schrieb neulich auf einer Karte, alle Leute sagten ihr, sie sähe so blaß aus. Ich werde mich dann wohl noch einmal abnehmen lassen müssen, wenn Schmeling auch noch ein Bild haben soll oder will. Elinghaus wollen auch eins. Ich weiß nur noch nicht wann und wo. Betreffs der Gesimse am Bauverein hat Lemmer früher schon reklamiert. Seinerzeit ist dem Vorstande, ich glaube Humpert [?] mündlich von mir gesagt worden, daß statt der Unterbekleidung aus Holz, Putz genommen werden solle. Es ist möglich, daß Ra. auch drum wußte. Im übrigen können mich wirklich die Anzapfungen von Lemmer nicht aus der Ruhe bringen. Meine Meinung darüber ist: Solange wir hier im Felde stehen und gewiß auch unsere Haut für alle zu Hause gebliebenen zu Markte tragen, sollte der Bauverein wenigstens soviel Anstand besitzen und uns mit Kleinigkeiten, die nur der Konkurrenzneid schafft, nicht belästigen. Ich glaube doch, das sollte der Bauverein wissen, daß wir bei Ausbruch des Krieges auf die Ausführung des 3. Baues vorläufig verzichteten und es auch nicht nötig hatten. Und so sollte eine Hand die andere waschen. Sonst sollten die Leute, die vielleicht so was, wie etwas Mitleid ansehen, einfach mal hier an die Front kommen. Ich bin Bürge dafür, daß sie andere Gedanken bekämen. Also laß es gut sein, rege Dich nur nicht [?] über derartige Sachen auf, sie verdienen es wirklich nicht. Und nach dem Kriege ist noch Zeit genug, uns darüber zu unterhalten. Ich glaube auch, daß der Krieg in mancher Beziehung etwas viel im Gefolge hat und noch manche dunkle Sache aufhellt. Vorläufig ist es unsere Pflicht hier, und alles muß zurücktreten, seinen ganzen Mann zu stellen, damit der ersehnte Frieden herbeikommt. Wenn, ich wieder da bin, ich hoffe es zu Gott, wird alles geregelt werden können. Meine Kamelhaarjacke habe ich nicht mehr, mein Drees hat sie einmal in W. vergessen einzupacken und weg war sie. Es ist uns aber auch so übrig warm genug. Man ist ziemlich abgehärtet, dazu haben wir noch alle unsere Schlafdecke zum Zudecken des Nachts. Unser Egon scheint dann ja mal wieder seine frühere Beschäftigung gerne tun so wollen. Wenn ich mal zu Dir komme, Du verwehrst es mir doch nicht, oder doch? Laß Grete nur ruhig Egon ein paar Stunden geben, ich glaube, daß der Pastor nicht energisch genug ist. Man hat doch gesehen, damals an seinen eigenen Verwandten. Kauft Grete ja ein Geschenk dafür nachher. So Almosen zu nehmen brauchen wir nun doch noch nicht. Es waren konserviert weiße Bohnen direkt zum Essen fertig in der geschickten Büchse. Nun kannst Du heute aber nicht sagen, ich hätte immer so kleine Bogen und noch nicht voll! Ich schreibe auch viel enger und mehr wie Du. Also hübsch zufrieden sein, diesmal habe ich Recht. Grüße unsere l. Beiden und auch sonstigen Bekannten. Besonders sei Du, allerbeste, herzlichst gegrüßt und geküßt von
Deinem Ernst
Meine [g?]ersten Gerstenkörner sind fast weg. Also mach auch Du, daß Du gesund wirst!
Von Wilh. Isenburg habe ich keine Antwort auf meine letzte Karte bekommen. Hast Du etwas von ihm gehört und von Carl? Lisettchen will ich noch mal 1 Briefchen schreiben weil sie so sehr drum bittet.