Man soll vergeben und vergessen können

Meine liebe Lydia!

Gestern Nachmittag empfing ich Deinen Brief vom 16 dss Mts. Zur Beantwortung Deines Briefes folgendes: Wie ich über R. denke, habe ich Dir schon geschrieben. Ebenso so leicht wie er sich verfeindet, vergißt er mich auch wieder. Er hat eben eine leichte Auffassung. Ich möchte doch, daß der Verkehr, da wir nun einmal aufeinander angewiesen sind, wieder einigermaßen zwischen den Familien angebahnt wird. Daß wir uns gegenseitig befeinden geht doch nicht. Dazu ist die Zeit viel zu Ernst [sic] und wollen wir uns über Schwierigkeiten hinweg setzen. Ich verstehe Deine Entrüstung nur zu gut, und habe Dich auch dagegen in einem Brief an ihn energisch in Schutz genommen. Wenn er nun trotzdem meint, in seinem Recht zu sein, lassen wir es ihm. Jedenfalls kennt er die Meinung von uns und damit wollen wir, ich bitte auch Dich darum, die Sache abgetan sein lassen. Man soll vergeben und vergessen können. Führt ihr auch genau Buch über das Geld was eingeht und ausgezahlt wird? Mußt Dich mal drum kümmern.
Ob Ihr dann nun den ersehnten Regen bekommen habt. Es ist gut, daß Du Hülfe von Elise bekommen hast. Du mutest Deinem Körper dann doch zuviel zu. Das Heu wirst Du dann wohl ein haben. Für Trimpops freut es mich, daß Robert wieder zum Vorschein gekommen ist. Ist das von G. Nachrodt ein Bruder der gefallen ist und ist der Ebberg von Hülscheid. Von den billigen Kartoffelpreisen las ich im Blatt. Ob aus meinem Urlaub was wird, kann ich noch nicht bestimmt sagen, vorderhand jedenfalls nicht. So glimpflich geht es mit unseren Stellungen, wie W. Ida erzählt hat, nicht ab. Wir haben den letzten Tag keine Verluste mehr gehabt, obwohl wir noch einige Artillerie Volltreffer in den Graben bekamen. Diesen morgen um 5 Uhr wurden wir abgelöst. In Corteville holte uns die Regimentsmusik ab. Bin jetzt in einem Privathause zu zwei: Vize Müller und ich, und unsern zwei Burschen einquartiert. Haben ein 2schläfriges Bett. Propere Leute. Haben ein Sohn in Frankreich, der schon seit 8 Monaten nichts mehr hat von sich hören lassen. Gestern am Nachmittag wurde ich erst gewahr, daß wir Sonntag hatten, man verkommt tatsächlich in den Wochentagen. Heute Nachmittag ist noch 2 mal Apell, sonst kein Dienst. Ich will nachher mal zum Pothographen [sic] und mich noch mal abnehmen lassen. Post wird wahrscheinlich erst gegen Abend verteilt werden. Löhnungsapell ist wahrscheinlich auch. Werde Dir dann 15 – 20 M zuschicken. Augenblicklich liegt her sehr viel Militär. Ich hörte, daß es gestern sogar zum Teil im Freien biwakiert hatte, wegen Mangel an Quartieren. Die gute Witterung hält hier an. Margas Karte bekam ich auch gestern. – Sonst wüßte ich nichts Neues zu berichten. Will gleich mal einen Mittagsschlummer machen. Habe bei Nacht nur stark 2 Stunden schlafen können. Bis zur Kirschenblüte sollten wir eigentlich zu Hause sein, und jetzt sehe ich, es steht mir gerade ein Baum gegenüber, sind die Kirchen schon reif. Grüße an Elise, Remscheids etc. Auch Gruß und Kuß für unsere beiden Kinder. Besonders sei Du, Allerliebste, herzlichst gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst
So Gott will, morgen mehr! Marga soll auch noch heute ein Kärtchen haben.
Von Egon die Karte bekam ich nicht.


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