Meine liebe Lydia!
Gestern Nachmittag bekam ich mit der Post Deinen Brief vom 15. ds Mts. Dann bekam ich noch 1 Paketchen von Muhle mit Honigkuchen, selbstgebackenem Kuchen, ½ Büchse Fleischkonserven und 3 Pfefferminzstangen. Allerhand was, und dabei haben sie noch ein weiteres Paket angemeldet. Inzwischen wirst Du ja auch reichlich Nachricht von mir bekommen. Bezüglich der Sprengung habe ich Dir schon die Wirkung mitgeteilt. Es ist bei der Sprengung geblieben. Die Butter in der Blechdose war gut, aber riesig teuer. Nach dem Erhalt des Paketchens gebe ich Dir über den Befund der Butter sofort Kunde. Es freut mich für Elly, daß ihr von allen Seiten geholfen wird, das schwerste [sic] zu ertragen. Hoffentlich bewahrheitet sich mit Valentin und Kenkel das nicht. Es ist sehr zu verurteilen, wenn Kameraden so nur bestimmte Nachrichten nach Hause kommen lassen. Also die Geschichte mit der Lebensversicherung wäre dann ja geregelt. Falls kein Geld für Löhnung da ist, müßt Ihr Euch mal eine a conto Zahlung von Enders geben lassen. Der Betrag für die ganze Arbeit beläuft sich auf rund 1300 M. Du schriebst gestern von 12 000 Gefangenen, die die Engländer gemacht haben sollten. Das stimmt wohl nicht. Ich nehme an, daß es die ca. 4 000 Gefangenen sind, die in unseren Kolonien vor der Uebermacht des Feindes kapituliert haben. Den Rest unserer Streitkräfte. Ich frug mal in einem Briefe an, ob wegen der vorjährigen Steuern Du etwas unternommen hättest? Schreibe mir bitte mal darüber. Du wolltest doch mit Wilh. die Sache machen unter Anweisung von Dr. Schulte. Von Raab habe ich noch nichts wieder gehört, ob der vielleicht schon ausgerückt ist. Ich hörte von 24er Pionieren, die bei unserer Stellung sind, daß die 25er in Ostende augenblicklich hinter der Front lägen. Hier ist es heute, wie gestern, sehr ruhig. Du schreibst hier im Westen müßte sich was großes vorbereiten, ich weiß von nichts. Woraus schließt Du das? Ich glaube auch, daß unser Friede fast groß werden und wir alt, was? In den Jahren denkt man schon mehr, als wie oft gedacht wird. Wir wissen das aus eigener Erfahrung doch. Ob Liesen eigentlich noch immer in Berlin ist? Habe lange nichts von ihm gehört. Auch von Otto Tr. hörte ich noch gar nichts wieder. Ob er meine oder die letzte Karte nicht bekommen hat, ich weiß es nicht, will ihm heute mal eine Karte schreiben. Heute ist die Witterung wieder gut, aber immer noch frisch. – Wieweit sind denn zu Hause die Großebohnen, es muß doch so bald an der Zeit sein, daß die gut sind. Schade, daß ich da nicht helfen kann. Oder hast Du dementsprechend weniger gepflanzt? Heute morgen habe ich geschlafen bis fast 8 Uhr. Jetzt ist es 10 Uhr. Selbst gebrauten Kaffee mit Imbiß habe ich schon zu mir genommen und ist dieser Brief meine erste Arbeit. Heute wird es nicht viel zu tun geben, etwas Arbeitsdienst und dann bauen wir unsere Unterstände zur eigenen Bequemlichkeit besser aus. So ist hier jetzt fast an jedem Unterstande eine Veranda mit Tischen und Bänken für den Aufenthalt am Tag, wenn es ruhig ist, entstanden, welche gegen Sonne durch Anstecken von Gebüsch besteckt sind. Auch die meisten sind regensicher mit Pappe abgedeckt. Du siehst wir sind so ziemlich gut eingerichtet und hat den Anschein als wenn wir hier noch lange bleiben wollten. Schade, daß Du mal nicht auf einige Stunden einen Einblick in unsere Kolonie „Granatwald“ hinein tun kannst. Nun für heute genug, ich weiß nichts mehr. Morgen sind wir auch wohl noch hier und dann so Gott will, mehr. Grüße mir Elly, Remscheids, unsere lieben Beiden. Besonders sei Du allerbeste, herzlichst gegrüßt und geküßt von Deinem
Ernst