Ich wohne augenblicklich in einem großen Saal

Mein liebes Märgelchen!

Heute bekommst Du den von mir versprochenen Brief. Deine Karten und Briefe habe ich aller wohl erhalten. Du wolltest wissen, ob ich die Leibbinde auch gebrauche, gewiß doch. Die wärmt gut. Ebenso die Pulswärmer mit Daumenlöcher [sic] ziehe ich täglich an. Die haben sich tüchtig geweitet, sind wohl etwas zu lose gestrickt worden. Nun strickst Du mir noch Strümpfe. Aber die ziehe ich erst an, wenn ich wieder pünktlich in der Heimat bin. Ich habe jetzt fünf paar hier und bekomme sonst zu viel in den Tornister, so daß ich nicht alles packen und auch nicht tragen kann. Aber fertig stricken kannst Du die Strümpfe deshalb doch. Zeit hast Du doch. Gehst Du noch immer so viel nach Remscheids und spielst mit Käte oder kommt sie auch mal zu Dir. Deine Zeugnisabschrift habe ich auch erhalten. Das ist befriedigend, doch muß es noch immer viel besser werden. Du kannst es ganz gut. Nur bist Du etwas zu lässig, nicht wahr. Das gilt besonders vom Schreiben. Ich meine die Schönschrift. Hier mußt Du Dir noch viel mehr Mühe geben. Und wird es mich freuen, wenn ich in Deinem nächsten Briefe oder Karte schon eine Besserung sehen würde. Vor allen Dingen mußt Du den Rat der Mutter immer so befolgen wie es artige Kinder immer tun sollten. –

Wir haben morgen Kaisers Geburtstag und feiern diesen durch Parademarsch, Vorträge u.s.w. Ihr habt doch gewiß auch eine Klassenfeier, ebenso Egon, und dann frei. Schreib mir mal, wie Ihr den Geburtstag gefeiert habt.

Aber der Weihnachtsmann hat Euch doch noch viel gebracht, mehr wie ich gedacht. Seid Ihr denn immer so artig gewesen? Hier uns Kriegern hat der Weihnachtsmann auch was gebracht. Allerhand schöne und nützliche Sachen. Ich erzähle Dir dies mal, wenn ich wieder zu Hause bin, sonst wird mir jetzt der Briefbogen zu klein. Ich wohne augenblicklich in einem großen Saal. So groß wie der Schmidt’sche Saal in Nöll, mit noch 180 Mann zusammen. Das ist ein buntes Bild. Könntest Du Dir diesmal hier besehen. Habt Ihr Menin schon auf der Landkarte gefunden. Es ist eine Stadt mit 30000 Einwohnern. Der Unteroffizier, wovon mir Mutter die Todesanzeige schickte, hat hier gekämpft. Ist aber schon vor Weihnachten, wo an einem Tage drei Sturmangriffe gemacht worden sind, auf dem Feld der Ehre gefallen. So nun habe ich Dir das Neueste geschrieben. Morgen bekommt Mutter auch einen Brief. Hoffentlich ist der Krieg bald zu Ende und wenn Gott will, kehre ich dann wieder zu Euch zurück. Grüße unser liebes Mütterchen und Egönchen. Sei nett folgsam und dann zum Schluß einen herzl. Gruß und dicken Kuß
Dein Väterchen!

Grüße mir bitte Remscheids Alle!


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