Hoffentlich hört man was Gutes

Liebe Lydia!

Heute den 2ten Tag in vorderster Linie. Es soll jetzt jeden Tag die Post abgeholt werden und ist es daher auch möglich jeden Tag etwas zu schreiben. Doch zu einem Briefe wird der Stoff kaum immer langen und wirst Du ab und zu mit einem Kärtchen vorliebnehmen müssen. Unsere Post bekommen wir eben nicht hierher, sonst würde [ich] schon eher was wissen. Nun höre das Neuste von heute: Gestern Nachmittag ist hier in der nächsten Nähe ein englischer Flieger durch unsere Artillerie zum Landen gezwungen worden. Dann sollen die Toten bei den Gefechten für rechts von uns ca 8000 Tote betragen. Unsere Linie rechts von uns ist bedeutend näher auf Ypern zugekommen. Es heißt, es konnten alle Zufahrtstraßen zur Stadt von der Artillerie bestrichen werden. Heute hört man schon den ganzen Tag anfallenden starken Kanonendonner auf die Küste zu. Es scheint dort wieder etwas im Gange zu sein. Hoffentlich hört man was Gutes. Habe heute die Stellung von der 9 Comp. besetzt. Früher lagen immer in unserm Abschnitt des Regiments nur 4 Comp. in erster Linie, jetzt fünf Comp. Liegen hier ca 300 m auseinander, an einem kleinen jedoch sind wir bis auf 30 m dran. Die Comp. ist jetzt mit dem neuen Ersatz rund 220 Mann stark. In den letzten Tagen haben wir keine Verluste gehabt. Haben heute wieder wunderbares Wetter gehabt. Die Nächte ist es jedoch noch ziemlich frisch. Machen uns daher am Abend immer noch etwas Feuer. Am Tage ist dies nicht gestattet. Unser Gegenüber sieht sonst den Dampf, und schon bekommen wir Schrapnellfeuer. Die Engländer schießen in letzter Zeit fast immer mit Schrapnells. Es scheint ihnen an Granaten zu fehlen. Uns ist das lieber, weil wir dagegen durch die Deckung gut gesichert sind. Nachts habe ich jetzt 4 Stunden zu revidieren. Vergangene Nacht hatte ich von 9 – 11 und von 3 – 5. Schlaf giebts dazwischen nicht sehr viel, denn wenn ich mal richtig warm und eingeschlafen bin, ist es schon wieder Zeit zum revidieren. Im großen und ganzen geht die Zeit sonst ziemlich schnell rum. Und das ist gut so. Vor unserem Graben in 3,00 m Entfernung liegt ein alter englischer Graben, den denen im Februar von den unseren (2 Comp.) abgenommen worden ist. Er liegt noch besät von gefallenen Engländern. Ein trauriges Bild. Es wäre zu hoffen, daß wir vor Eintreten wärmerer Witterung weiter vor kommen, da sonst dieser Zustand allerhand Krankheiten im Gefolge haben dürfte. – Den Garten hast Du doch gewiß schon ganz rum. Arbeite mir nicht allzu viel, sonst bist Du nachher ganz ab. 2 eiserne Kreuze wurden vorgestern an 2 Rekruten verliehen, die eine Patrouille gemacht hatten. Nun weiß ich nicht mehr. Ob wir morgen in Ruhe kommen, soll mich wundern, es ist noch nichts bestimmt. Dann morgen mehr. Grüße Remscheids. Auch Gruß und Kuß für unsere lieben Kinder. Besonders sei Du allerbeste, herzlichst gegrüßt und geküßt von Deinem
Ernst.
Ist Elise wieder nach Hause? Soll mich wundern, welche Nachricht ich von Enders bekomme.


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