große Post

Meine liebe Lydia!
Nach 5 Tagen mal wieder einen Brief. Den letzten Tag der vorigen Reihe hatte ich vor zu schreiben, es ging jedoch nicht mehr. Weil wir Abends um 7 Uhr alarmiert wurden u. sofort in Reserve – Bereitschaft rücken mußten, weil man Glaubens war, die Engländer hätten für die Nacht einen Angriff geplant. Die Post wurde infolgedessen nur teils (die Pakete nur) verteilt. Erhielt dann das Honigfläschchen, welches ich in Stellung gut verwendet habe. Heute nun bekam ich große Post. Zunächst an den Paketen von Euch: 1 Brummer,1 Cygarren, 1 Zucker, 1 Würfel und Butter, Kaffeemehl etc., von Raab: 1 mit Wurst, 1 mit Schinkenspeck, vom Kriegerverein 5 Cygarren, von Lisettchen Wiblingwerde auch 20 Cygarren. Dann Briefe von Dir: 19., 17., 14. und 13. außerdem von Egon und Marga die Sachen, und Wiblingwerde, Schmeling und einige Zeitungen. Alles in allem: große Post, für mich 1 Stunde wo ich ganz meine Gedanken Euch widmen durfte. Nun zunächst auf Deine Briefe zurück. Einige Fragen haben sich mittlerweile von selbst durch vorhergehende Briefe erledigt. Vorher will ich noch erwähnen, daß alle Briefe und Karten jetzt von der Comp. gestempelt sein müssen und wir infolgedessen aus der Stellung nicht mehr schreiben könne. Mit Klaras Krankheit weiß ich Bescheid; ebenfalls hatte mir Ra über die Angelegenheit Knippe und Decke berichtet. Erlen ist mir Recht, habe Ra. die weiteren Gründe angegeben. Habe noch nicht wieder von der Aussonderung der Landwehr II gehört. Bei uns giebt es jetzt auch anstatt früher ½ kleines Brod täglich, nun ½ Brod. Kommen aber gut damit aus. Es ist aber auch scheinbar mit Kartoffelmehl gemischt, wenigstens ist es nicht so wie früher. Sind bei Euch auch die Lebensmittel rar? und im Preise viel gestiegen. Wieviel Brod giebt es bei Euch? Du meinst in Deinem Sonntagsbriefe, die Feldpost würde sich über Dich beklagen, laß sie und ich nicht, je mehr je lieber. Ich schreibe aber glaube ich ebenso viel. Hier ist seit einiger Zeit immer Wechselwetter, bald Regen, bald schön, bald Schnee, bald Frost. Doch tagsüber ist es schon ganz schön. Hier wird wohl wenig bebaut werden, so dicht hinter der Front. Es sind allerdings vor 5 – 6 Tagen einige Einwohner hier vom Orte, meistens alte Frauen und Männer und Kinder zurückgekehrt, die hier draußen arbeiten. Weiter hinter uns wurden die Felder eh wohl schon bestellt worden, da ja hier es bedeutend früher, wie zu Hause ist. Unsere Comp. hat noch keinen Graben zu nehmen brauchen, sind bis jetzt immer in der Verteidigung gewesen. Unser Regiment hat aber vor 5 Tagen (2 Comp. glaub ich) 25-30 Gefangene (Engländer) gemacht. Darunter waren 1 Oberleutnant auch einige Verwundete, wurden gemacht [sic]. Dann wehrten wir (welche Comp. weiß ich nicht) einen Sturm vom frisch angekommenen Engländern ab. Ca. 100 Tote sollen vor dem Graben, zwischen den beiden Stellungen liegen. Unserseits keine Verluste. Selber habe ich sie nicht sehen liegen, es war aber direkt neben unserer Stellung. Ich glaube Speckenbach sagte es mir. Die Comp. besetzt diese Stelle. Wir hatten nur 1 Verwundeten (Fußschuß) dieses Mal. Können also von Glück sprechen. Von dem beschränkten Spirituosen-Verkauf hörte ich auch durch ihn. Diese Woche haben wir in Reserve Stellung sogar Reibeplätzchen gehabt. Allerhand was? In meine runde Büchse, hatten wir als Reibe, die mit Löchern versehen wurde, die mit einem Nagel eingeschlagen wurden, wurden die Kartoffeln gerieben. Dann eine runde Pfanne gefunden und darinnen wurden die Plätzchen in Schmalz, welches von der Comp. geliefert wurde und jeder seinen Teil bei sich trägt, gebacken. Schmeckten großartig. Auch Bratkartoffeln machten wir uns. Du siehst wir nehmen hier alles mit und leben ganz nobel. Frau Remscheid habe ich mit gleicher Post noch nachträglich gratuliert. Ich habe heute Dienst und muß jetzt erst essen [sic] holen lassen. ̶ Die Comp. hat exerzieren gehabt. Ich war nicht mit. Als Dienstthuender brauchte ich nicht mit. Nun ist noch 1 Apell. Hoffentlich bist Du Deine Bauchschmerzen wieder los. Werde mir nur nicht krank. Die Hose ist billig, aber die Weste, wie Dir schon mitgeteilt, ist das Geld nicht wert. Ist Willy Heyermann von der alten Heide, dann? An das Märchen betreffs des Friedens glaube ich nicht. Verschaffe mir mal von Carl Gerlach die Adresse. Haben die Trimpops Mädchen in Hohenlimburg aber Unglück. So wird es manchem gehen. Denken wir dann erst mal an alle die Verheirateten, da ist es noch schlimmer. Was ist das mit der Rechnung Borlinghaus? Kann ich nicht entsinnen wofür? Laß Dir nur nicht zu knapp Geld geben, wir wollen doch möglichst schnell mit ihm gleich stehen. Sag ihm Du möchtest bei erster Gelegenheit Heinrich das Geld zurückgeben. Das sollst Du aber für Dich halten vorläufig, damit Du für alle Fälle gedeckt bist. Sind Raabs ja schnell an ein Mädchen gekommen. Es wird auch gut sein, wenn sie es allein tun, sie werden sich, so gut wie andere auf die Dauer einschränken müssen. Wenn der kl. Wilhelm nicht ganz gesund worden wäre, ist es besser für ihn und auch für die Angehörigen, daß ihn der l. Gott jetzt wieder zu sich genommen hat. Was die Frau Wesberg gesagt, trifft nicht zu. Liegt jedenfalls irgend eine Verwechselung vor. Erkläre Dir das mal später. Dann ist Heinrich doch wohl ganz frei gekommen. Daß wir hier bei Ypern wohl etwas vorgekommen sind, inwieweit das jedoch auf das ganze Bedeutung hat, kann unser einer nicht beurteilen. Mit Machelett hatt [sic] ich mir das wohl so gedacht. Gewiß hast Du ein Recht dazu, die Briefe zu oeffnen. Bist doch Geschäftsteilhaber jetzt. Einerseits kann ich Machelett verstehen, andrerseits wird es von uns verlangt, obwohl auch ich im Felde stehe, gerade so gut, wie er. Ich denke Ra wird mir wohl näher darüber berichten. Du willst wissen, was ich den 19.2. um ½ 10 Uhr Abends gemacht habe. Den Abend waren wir bekanntlich alarmiert. Um diese Zeit glaube ich bestimmt in meiner Erdhöhle in Reservestellung gelegen zu haben – und ungehüllt geschlafen zu haben oder am Einschlafen gewesen zu sein. Wahrscheinlich noch mal meine Gedanken zu Dir, zu Euch allen, in die Firma schweifen lassen. Aber wozu willst Du das wissen? Wir wußten nicht anders, es jede Stunde wieder Alarm gemacht und wir hätten eingreifen müssen. Gemacht, eine Arbeit, habe ich nichts. Nur hat jeder in einem solchen Falle seine eigenen Gedanken. Dieses mal bleiben wir 2 Tage hier, 2 Tage kommen wir nach Werwick. Nun morgen mehr!
Grüße unsere lieben Beiden. Besonders sei Du herzlichst gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst


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