gemietetes Klavier

Meine liebe Lydia!

Empfing heute morgen Deine Postkarte vom 21.1. und den Brief vom selben dahin zur Hälfte von Egon, zur Hälfte von Dir beschrieben. Habt Ihr aber ziemlich tiefen Schnee dort, wie Egon schreibt. Hier ist auch etwas heute morgen am schneien, scheint aber nicht liegen zu bleiben. Die Kälte ist nicht sehr stark dabei. Immerhin besser wie das naßkalte Wetter. Statt der 20 Tage Ruhe haben wir nur 8 bekommen. Immerhin eine gute Ausspannung. Den 3. ds. Mts früh geht es wieder in den Schützengraben. Wird allen wohl in den ersten Tagen wieder etwas schwer fallen.
Betreffs der Steuererklärung liegt bei den Maurersachen eine Abschrift wie die uns die letzten Jahre eingeschätzt hatten und was für Abzüge ich gemacht hatte. [Einschub vom Rande] „Im übrigen stimmen die Abzüge, wie Du sie angegeben. Ist unser vorjährige Steuerreklamation noch nicht wieder zurück eigentlich?“ Wenn Raab Dir das Geld giebt, kannst Du dasjenige, welches Du nicht sofort nötig, wie Du mir geschrieben. 60 M für Kinder, nur den Rest auf Deinem Namen zur Sparkasse bringen. Bekommen wir nicht im Ganzen 1000 M noch aus dem Geschäft, nach Deiner Aufstellung, die Du mir gegeben hattest? Dann kommen nach meiner Meinung noch 180 M Geschäftsunkosten hierzu. Wenn Dir nun Raab 320 + 180 M = 500 giebt aus seiner Kasse, resp. die auf sein Conto gebucht wurden, würden die gleich stehen. Die 180 M stehen uns dann selbstverständlich außerdem noch zu. Im Ganzen also 680 M. Stimmt das? Mir ist es auch nicht vom Gelde, aber was hilfts, die Sachen müssen auch geregelt werden. Hoffentlich dauert der Krieg nicht mehr allzu lange, das [sic] wir gemeinschaftlich die Sachen regeln können. Ich darf garnicht daran denken und doch kommen immer meine Gedanken, auf Euch, meine Lieben, in der Heimat zurück. Marga wird doch Ostern meiner Meinung nach versetzt werden und von Egon hoffe ich doch dasselbe, wenn Schlüter, dem ich auch geschrieben habe, sich so ausspricht.
Gewiß ist es mir auch Herzensbedürfnis, mit Dir über die Erziehung zu sprechen, mehr denn je. Ich werde Dir immer meinen Rat so gut wie es geht geben. Doch sind Deine Anordnungen in dieser Hinsicht so gut, daß ich nur mein Ja dazu zu sagen brauche. Die Schlüters Methode mit dem großen Einmaleins ist sehr gut, die muß sich Egon und auch Marga gut einprägen. In Sachen Taschenlampe etc. werde ich da dann doch hier in „Ruhe“ bekommen. Albert Rentrop muß dann meine Karte wohl nicht bekommen haben von Metz? Du meinst, ob Ypern fallen soll. Ja, das wird es wohl. Aber wie, wann, das wissen wir alle nicht.
Nun etwas von der Kaisers Geburtstagsfeier hier. Vorausschicke ich, daß wir in einem Gastwirtschaftshause liegen, wo auch die Bilder von Lingen und Bebel Platz gefunden haben. Also um 715 begann die Feier. Das Stroh war nach beiden Seiten an die Wand gemacht, sodaß die Mitte für Stühle und Bänke frei war. Die Bühne sauber gemacht. Ein Musikstück auf einem gemieteten Klavier eröffnete den Reigen. Dann brachte der Comp. Führer Leutn Warnecke das Kaiserhurra aus, woran stehend die Nationalhymne gesungen wurde, dann folgte ein lebendes Bild: Ich hatt einen Kameraden, einfach, guckend in 3 verschiedenen Stellungen, den Versen entsprechend. Ein weiteres lebendes Bild stellte die Landwehr dar, was viel Beifall fand. Auch wurde der deutschen Frau und den Daheimgebliebenen würdig gedacht. Wir sind hier gewiß nicht weich, aber hierbei rollte manchem der Unseren eine Träne in [= von] den Backen. Dann wechselten Liedvorträge und ein „Bild aus dem Schützengraben“, was besonders gut gelungen war, mit einander ab. Gegen 12 Uhr war die Feier beendet. Im Bewußtsein im Feindesland den Geburtstag würdig begangen zu haben, bezogen wir unser Lager. Später erzähle ich Dir die Sachen mal ausführlich. Ich glaube der Stoff zum Sprechen geht uns so schnell dann nicht aus, wäre es nur nicht so weit. Nun mit Gott! Herzlichen Grüße und Küsse auch für unsere Kinder
Dein Ernst

Von H. Spelsberg Trexer [?] erhielt ich heute den Neujahrsgruß, den ich ihnen durch Karte erwidert habe. Morgen dann mehr.
Es heißt morgen ging es hier weg, blieben dann bis zum Gang in die Stellung in Corteville.


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