Meine liebe Lydia!
In aller Frühe einen Brief. Es ist jetzt ½ 8 Uhr morgens. Der Dienst beginnt erst um 9 Uhr mit einem Apell in Gewehren. Hätte eigentlich so schlafen können bis ½ 9 Uhr. Doch um 5 Uhr wurde alles geweckt und es hieß: alles sofort marschbereit machen. Dabei ist es geblieben, es scheint mal wieder nichts zu sein. Umso besser. Als weiterer Dienst für heute ist um 1 Uhr noch ein Apell angesetzt. Sonst scheint kein Dienst zu sein. Gestern Abend hatten wir noch Brief – Postempfang. Die Pakete sind nicht verteilt. Ich bekam eine Karte von Husberg aus Brügge und 3 Briefe von Euch. Wenn der Krieg noch lange anhält, so kommen die zur Rekruten-Ausbildung kommandierten Untfz natürlich wieder an die Front. Was willst Du denn für ein kleines Tier schlachten, die Kanine? Für Aug. Teutmann haben die Untfz der eh. 30er 1 Comp. einen Nachruf in die „Neueste Nachrichten“ in Altena eindrücken lassen. Er liegt in Werwick begraben. Einen Kranz wollten wir ihm auch noch spenden und wenn möglich, der Frau eine Phothographie [sic] von der Grabstätte schicken. Zu den Kosten will jeder von uns Untfz beitragen. Meinen Ring habe ich allerdings unversehens mitgenommen. Ich sah es nicht eher, bis ich hier war. In den nächsten Tagen will ich Dir auch meine Winter-Unterkleidung schicken. Man braucht sie nicht mehr und wegwerfen will ich sie auch nicht. Ob das andere Paket angekommen ist? Wilh. Schnickmann will auch hier ein Urlaubsgesuch von Hause einreichen um geschäftliche Sachen zu regeln. Möchte ihm auch ein paar Tage im Familienkreise gönnen. Soeben kommt unser Büroschreiber und sagt: Die eroberten Geschütze hätten sich auf 63 erhöht und die Deutschen hätten einen französischen Funkspruch von England aufgefangen. Die Lage sehr ernst, sie sollten sich auf das Schlimmste gefaßt machen. Ob das nun wahr wird und die Nachricht wahr ist. Es wäre ein Glück, dann dürfte der Frieden bald kommen. Sonst wüßte ich nichts mehr von Belang. Wenn möglich morgen mehr. Gruß an Remscheids und unsere lieben Kinder:
Besonders herzl Gruß und Kuß, allerliebste,
Dein Ernst.