Eisernen Portionen

Meine liebe Lydia!

Empfing gestern Abend Deinen Brief vom 25 cr. und 2 Paketchen: eines mit Chokolade und eines mit Kerzen. Letztere schicke aber nicht mehr, nur auf ausdrücklichen Wunsch, habe noch alle fast. Deine sonstigen Fragen habe ich wohl schon alle beantwortet. Eine Unterjacke willst Du mir noch schicken? Die andere ist aber noch gut, nötig hätte ich sie gerade nicht, aber schicken kannst Du sie ja mal. Lieb wäre es mir, wenn ich heute Abend die Taschenlampe und Wickel-Gamaschen bekäme, damit ich sie morgen mit in den Graben nehmen könnte. – Nun mal unser Gang hierher. Um 250 Uhr nachts marschierte das ganze Batl. unter Vorantritt der Regimentsmusik nach hier. Gegen 8 Uhr waren wir hier. Der Weg war furchtbar glatt, und waren wir sehr müde, wie wir ins Quartier kamen. Liege wieder mit noch 4 Unteroffizieren hier im Stationsgebäude. Hatten an Dienst noch 430 Uhr Apell in „Eisernen Portionen“. Um 8 Uhr wurde das Batl. noch mal durch den Brigadegeneral alarmiert. Dann erst konnten wir uns der wohlverdienten Ruhe auf unserem Strohlager widmen. Vorher hatten wir die Zeit ausgefüllt mit Kaffeekochen, Boullion [sic] machen, Holz hauen, sogar Eier hatten wir mal gestern gekauft und gekocht, das Stück 12 ½ ₰. Eine emsige Hantiererei, hättest uns mal sehen sollen. Heute morgen schliefen wir bis um 8 Uhr. Um 11 Uhr Stiefelapell. Um 1 Uhr ist groß Reinemachen unter meiner Aufsicht, weil ich heute Untfz vom Dienst bin. Dann haben wir noch um 430 Antreten zum Einteilen und Löhnungsapell. Ich hatte Dir geschrieben, daß wir schon heute in Stellung gingen, gehen aber erst morgen den 1.Februar raus. Umso besser so. Heute morgen haben wir schon Kaffee gekocht, auch Pellkartoffeln. Du siehst wir leben hier garnicht so schlecht. Wenn man bedenkt, daß wir kaum 1 Stunde hinter der Front liegen. Heute haben wir hier ziemlich Schneegestöber und die Erde ziemlich bedeckt. Hier ist die Heimat der Stare. Sie schlagen hier emsig wie bei uns im Frühjahr und bleiben hier den ganzen Winter. Heute haben wir hier „Sonntag“. Äußerlich merken wir hier vom Sonntag, wie Du ja auch an dem Dienste siehst, nichts. Aber es ist eben Krieg. Hatte ich Dir schon von Menin aus geschrieben, daß ich das Paketchen mit Tabak und Butter bekommen habe? Gestern wurde nochmal die Landwehr II aufgeschrieben und dem Batl. eingereicht, zwecks anderer Verwendung. Ob es wahr wird! Ich wäre gut damit einverstanden. Es kämen bei uns 3 Untfz und 2 Mann in Frage. Es heißt am 4. Februar kämen Rekruten, die für uns eingestellt werden sollten. Wenn ich mir die Sache richtig bedenke, passen wir „Alten“ doch nicht mehr so ganz zwischen die jungen Leute. Obwohl die Landwehr den Vorgesetzten lieber sind, wie Ersatz-Reservisten, Kriegsfreiwillige und Rekruten. Man hat hier schon schlechte Erfahrungen damit gemacht.
So das wäre das Neuste von hier. Wenn nur möglich, bekommst Du noch mal Nachricht aus dem Schützengraben. Sonst noch alles wohl. Hoffentlich auch dort. So Gott will, komme ich noch mal aus der Stellung zurück. In den Argonnen haben wir ja gute Fortschritte gemacht. Wieviel brave Krieger mögen da ihr Leben gelassen haben. Was hilfts klagen, es muß sein, wenn der Krieg ein Ende nehmen soll. Nun mit Gott, und herzl. Gruß und Kuß
Dein Ernst
Auch Gruß für unsere lieben Kinder. Hoffentlich bekomme ich heute noch Post. Die Post wird immer um 8 Uhr Abends ausgegeben.
Ich kann mich nicht erinnern ein Paket von Schlüters bekommen zu haben.


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