durchlochter Eimer als Ofen im Schützengraben

Meine liebe Lydia!

Heute wo ich hier diesesmal den letzten [Tag] in Stellung bin, noch ein Briefchen. Ob ich morgen zum Schreiben komme, fragt sich. Da wir in letzter Zeit bekanntlich Dienst in Ruhequartier gehabt haben. Viel Neues weiß ich allerdings nicht. Also los: Gestern hatten wir einen ausnahmsweise ruhigen Tag; hüben wir drüben wurde sehr wenig geschossen. Manchmal, und das kommt sonst garnicht vor, hörte man keinen einzigen Schuß. Man meint dann, es müßte Frieden sein, bis man auf einmal durch einen Schuß in diesen Träumen gestört wird. Es werden dann manchmal zum Zeitvertreib Glossen im Schützengraben (hier nennt man es Latrinenbefehle) verbreitet. So wurde gestern erzählt. Poincarè wäre in Berlin und pflog Friedensverhandlungen. Des weiteren wurde erzählt. Das 15. A.K. würde hier abgelöst und käme in die Vogesen, wo es früher gewesen ist. Das 11te A.K. wäre zur Ablösung in Menin angekommen. Diese Nacht hatte es hier tüchtig gefroren und geschneit. Jetzt ist klarer Himmel und schönstes Frühlingswetter. Da morgen Frühlingsanfang ist, wird es wohl so bleiben. Heute morgen warfen unsere Minenwerfer ca 20 Minen in einem 150 m vor uns liegenden von den Franzosen befestigten Punkte. Ich konnte beobachten, daß einige Minen direkt in den franz. Schützengraben einschlugen. Die Artillerie half tüchtig mit. Wegen der kollosalen Explosivkraft dürfte der Feind beträchtlichen Schaden gehabt haben. Jetzt wollen die Franzmänner sich wahrscheinlich rächen, denn fortwährend fliegen die Granaten und Schrappnells über uns hinweg, sie schießen jedoch ca 50 – 100 m zu weit. Unsere Artillerie erwidert die Grüße lebhaft und so ist denn augenblicklich ein kleines Duell im Gange, daß [sic] sich aber gewöhnlich schon nach einer Stunde legt. Ich habe mich so schon daran gewöhnt, sodaß es mir auffällt, wenn gar nicht geschossen wird und wird nur Notiz genommen, wenn mal die Granaten in allernächster Nähe krepieren und die Eisenstücke bedenklich summen. Hoffentlich giebt es keine Verluste. Bis jetzt haben wir keinen. – Heute Vormittag habe ich kleinen Ausflug bis zu der Stellung der 143er, die rechts von uns liegen [gemacht]. Von dort kann man Ypern sehen. Sehen konnte ich jedoch nichts, weil der Nebel zu stark war. Wenn man da hinsehen will, muß man einen Groschen bezahlen für die Hinterbliebenen gefallener Kameraden. Du siehst auch hier sammel [sic] die Wohltätigkeit Früchte. Nach meiner Rückkehr hatte mein Kamerad, der mit mir den Unterstand teilt (auf dem Bild von mir linker Hand) eine feine Suppe gekocht, die wie folgt zusammengesetzt war: Wasser aus einen Granatloch, ziemlich gelb, 2 Päckchen Maggis Suppenwürfel (Sternchen) [?], 4 Bouillonwürfel und Salz. Als Ofen dient ein durchlochter Eimer, der unter der Decke hängt. Auf dem Boden ist kein Platz. Mein Kamerad ist augenblicklich mächtig am Schnarchen. Habe auch vorher einen kleinen Puff gemacht. Gleich giebts Kaffee vom Kaffeehaus. Dazu wird dann die kondensierte Milch genommen, Käse und Brot gegessen und die Mahlzeit ist fertig. Soeben wurde erzählt, ein feindl. Flieger sei bei Menin heruntergeschossen, Die Flieger üben heute bei klarem Wetter eine erhöhte Tätigkeit aus. Morgen früh um 6 Uhr kommt die Ablösung. Von Corteville aus dann mehr. Hoffentlich ist die geschäftliche Sache auch geregelt. Die Post wird ja auch morgen was bringen, damit ich mehr Stoff zum Schreiben bekomme. Grüße unsere lieben Kinder, auch Elly. Besonders grüßt und küßt Dich Dein
Ernst.
Gruß an Remscheids, Raabs etc.


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