die Leute liegen hier schon ¼ Jahr ohne die Kleider nachts ausziehen zu können

Meine liebe Lydia!

Gestern Deinen Brief vom 6 cr hier in meiner „Behausung“ richtig empfangen. Ein Lämmer Altena, der auch mit mir gedient und beim Landw. Regt verwundet und dann zu uns zurückgekommen ist, überbrachte ihn mir. Soeben kommt der Befehl, daß wir um 11 Uhr wieder abgelöst werden, jetzt ist es 10 Uhr. Daher in Eile noch den Brief. Um 3 Uhr fahren wir zurück durch die Bahn bis Vantroux, dann haben wir noch 1 Stunde zu Fuß bis zu unserm Fort. Unser Mittagessen, recht gut am kochen ist, nehmen wir hier erst noch ein. Nun auf Deinen Brief zurück. Die zurückgewiesenen Angriffe sind in der Nähe von Ponte a Musson gewesen, also immerhin ca 20 km von uns entfernt. Ich möchte er G.N. auch wünschen, daß er wieder hierher müßte, denn er hat mindestens so gute Zeit wie ich. Alle abgesandten Pakete und Briefe, auch die Spe[ckenbach] mitgenommen hatte, habe ich bekommen. Was Schnickmann in seinen Paketen alle drei gehabt hat, weiß ich nicht. Er liegt nicht bei mir auf der Stube und so werde ich das nicht gewahr. Ich glaube aber, daß er das 2 Paket noch garnicht bekommen hat. Auch haben die Rahmeder das Paket vom Frauenverein noch nicht bekommen. Betreffs der Weihnachtsfrage: Wäsche etc brauche ich nicht mehr, vielmehr muß Dir noch welche zurückschicken, denn im Falle wir mal verlegt werden sollten, weiß ich nicht, wohin damit. Auch an Eßwaren mangelt es mir nicht. Ich habe vorläufig in Hülle und Fülle. Vielleicht kannst Du man so’n Paketchen mit Punsch-Extrakt schicken, damit man zu Neujahr etwas hat. Wegen der Weihnachtsbescherung habe ich Ra. geschrieben und ihm vorgeschlagen für die 3 je 10 M zu opfern. Wenn er nicht will, mach Du es wie besprochen, allein. Wie kamst Du denn auf einmal an die Quetschen [=Zwetschgen?], wann habe ich dann davon geschrieben?
So, das wäre das Neueste. Morgen vom Fort aus, dann mehr. Ich muß jetzt meinen Mantel rollen, und die übrigen Sachen packen, denn die Ablösung kann jeden Augenblick kommen. Sonst gieb[t] es ein Durcheinander. – Aber Ratten und Mäuse giebt es hier in unserm Quartier in Hülle und Fülle, auch glaube ich „Hüger“[?]. Das kann ja auch nicht ausbleiben, wenn man bedenkt, daß die Leute hier schon ¼ Jahr liegen ohne die Kleider nachts ausziehen zu können. Also morgen mehr. Herzl. Grüße und Küsse, auch für unsere Kinder, Dein Ernst.
Grüße Remscheids!


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