Delikates Leben im Schützengraben

Meine liebe Lydia!

Gestern Nachmittag empfing ich Deinen langen Sonntagsbrief, außerdem das Paketchen mit Keks, Doppelkorn, Cygarren und Bonbons. Dann noch die beiliegende Karte von Otto W. Nun zunächst zu Deinem Briefe: Zu dem Heumachen wirst Du doch wohl einen Mann jetzt bekommen haben. Vorschläge hatte ich Dir dazu gemacht. Den ersehnten Regen werdet Ihr dort auch wohl bekommen haben. Wenn Du nicht gut dran bist, dann laß Elise doch solange kommen und Dir helfen. Betreffs der Aussprache mit Kattwinkel sind dies ja alte Sachen. Ich für meine Person habe mich darüber weggesetzt. Falls nachher Geld zum Auslöhnen fehlt, mußt Du mal nach Dr. Hofmann gehen und um eine a Conto Zahlung bitten, oder auch mit Frau Saßenberg oder Frau Humpert sprechen, wenn die Arbeiten mit der Ueberwölbung vorgeschritten sind. Der Betrag für die Ueberwölbung stellt sich auf rund 1200 M. Wenn bei Dr. Hofmann alles fertig ist, bekommen wir auch dort noch, wenn Dr. Hofmann auch die Ziegelsteinrechnung (nachsieht) von Möller abzieht noch rund 600 M. Vorläufig könnt Ihr dann ja auslöhnen. Ich denke, wenn Schüssler da ist, wird die Sache wohl besser klappen. Wegen Deiner Prokura gehe mal nach Pels Leusden hin, daß [sic] wird auch ohne Raab gehen. Es ging doch auch ohne mich. Wenn Schüssler da ist, werde ich mal persönlich an ihn schreiben. So lange er unten gute Arbeit hat, kann er bleiben.
Kleine Verpflichtungen sind auch noch da. Sieh mal im Wechselbuch nach. Es ist glaube nach einem an Lüdensch. Ziegelwerk, Holzhandlung u. Baumval [?] fällig. Schreib mir mal der Reihe nach die Firmen, den Betrag und Fälligkeitstermine, wie sie im Buche stehen auf. Hatte sie seinerzeit aufgeschrieben, kann es aber nicht wieder finden. Müssen uns jetzt mal so behelfen. Wenn ich mal wieder zu Hause bin, wird die Sache schon wieder ins Lot kommen. Ob ich Urlaub bekomme, ich kann es nicht sagen, wenn keine besondere Bevorzugung vorkommt, werde ich wohl keinen bekommen. Die ersten Leute sind noch nicht weg. – Aber ich bin doch nicht allein vergessen, wenn ich auch mal im Brief ein Wort vergesse, doch mit Hausschuhen in die Kirche gehen zu wollen, das ist allerhand! Gestern Nachmittag hatten wir ziemlich Malheur: 1 Toten und 7 Verwundete durch feindl. Artilleriefeuer, das ist viel im Stellungskampf, aber es läßt sich nicht ändern. Die Nacht verlief auch wieder ganz ruhig. Ich führe seit 14 Tagen den 1. Zug in Vertretung eines Leutnants, der für die Zeit beurlaubt ist. Hatte die Nacht Dienst von 9 – 12 Uhr im Graben. Habe dann geschlafen bis um 10 Uhr diesen Morgen, auch allerhand was? Jetzt ist es gleich 12 Uhr. Habe dann selbst gemachten (von meinem Burschen mit eigenem Mehl) Kaffee, ½ Liter getrunken und den Keks dazu gegessen. Delikates Leben im Schützengraben, besser wie zu Hause, nicht!
Sonst weiß ich nichts Neues. Die gute Witterung hält an. Morgen sind wir wahrscheinlich noch hier, und so Gott will, dann wieder ein paar Worte. Grüße Remscheids, Elly, Elise, wenn die da ist, und sei Du, und unsere l. Beiden, herzlichst gegrüßt und geküßt von Deinem
Ernst.


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