Außenstände eintreiben!

Meine liebe Lydia!
Gestern Abend bekam ich große Post. Was ich alles erhalten habe, ist auf der Karte, die ich bereits geschrieben und mit gleicher Post an die Kinder abgeht, aufgezählt. Zunächst zur Beantwortung: Dein Brief, den langen vom 5.2. und 7.2. (Zeitungen bekam ich auch). Mit den Steuern ist das dann ja wohl vorläufig in Ordnung. Die Angelegenheit kann ich denn hoffentlich demnächst selbst regeln. Betreffs der staatlichen Unterstützung kann man dann ja auch mal sehen, was sich machen läßt. Es geht ja manchmal so zu, nicht immer kommt das Geld hin, wo es hingehört. Die Sache mit Raabs Martha darfst Du Dir nicht zu Herzen nehmen. Ich hoffe nicht, daß sie auf Ra. Veranlassung hier so ist. Daß Klara auch so gewesen ist, verstehe ich nicht. Allerdings haben die die Fahrt nach Mainz wohl ganz verheimlichen wollen, wie sie früher auch schon solche geheimen Gänge hatten und sie wußten, daß das nicht nach unserem Geschmack war. Auf beiliegender Karte teilt er mir selbst seine Fahrt mit, allerdings ist es ohne sein Verschulden so gekommen. Hat Dir wohl zuvorkommen wollen. Dann fürt [?] ja Raab immer gern die Bedauerten [?]. Sie scheinen sich doch auf Deine Worte besonnen zu haben, sonst wäre Raab nachdem nicht schon wieder bei Dir gewesen. Ich habe ihm aufgeschrieben, daß sie alles über meine nähere Tätigkeit bei Dir hören könnten. Betreff Elisens Geld will ich noch mal an Ra. schreiben. Elise kommt nicht um das Geld. Wir haben viel Geld fest liegen. Durch Enders Schuppen 7000, Plate 2000, Machelett 1000, Rövenstrunk 500, Schulte 500, Kaution Schule 1500, und so weiter. Dann noch die Werkstatt mit Grundstück. Wenn wir den Schuppen Enders verkaufen könnten, könnte Elise sofort das Geld bekommen. Vielleicht gelingt es. An der Bank vorbei wird nichts, die oben angeführten Summen können die nicht anpacken. Nur haben wir rund 5000 M Kredit auf die Werkstatt bei der Bank eingetragen. Bräker muß selbstverständlich zurückstehen. Sonst machen wir auch weitere Ansprüche. Jedenfalls will ich in der Sache noch mal überlegen und Ra. darüber schreiben. Du kannst aber in der Sache ganz beruhigt sein, passieren kann da absolut nichts. Selbstverständlich ist es Recht, wenn Du etwas hast, mit mir die Sache zu besprechen. Betreffs den Brief an Raab: Meine Angaben stimmen. Die Landsturmleute es waren 2 oder 3, sind ganz im Anfang verwundet und krank geworden. Habe ich denn Ra. wirklich meine Lage schlimmer geschildert? Dein Sonntagsgruß. Der Oberlehrer ist Studienkollege von Dr. Simon, wo ich seinerzeit von geschrieben habe und der jetzt verwundet ist. Nachrodt scheint dann für die Dauer des Krieges beurlaubt zu sein. Er ist nicht rüstig! Ueberstrümpfe schicke mal ein paar. Sonst wüßte ich wirklich nicht, was mir fehlte. Heute den ersten Tag in Stellung im Granatwäldchen in 1. Reserve. 2/3 der Comp. wurde jedoch heute Morgen, nachdem wir eben in unsere Erdhöhlen eingenistet hatten, in die 2.Reserve zurückgezogen, auf den sogenannten „Klüppeldamm“ [= Knüppeldamm?1], weil wohl Artilleriefeuer befürchtet wurde. Speckenbach und Husberg lagen schon hier am Klüppeldamm in Reserve (9 und 12 Comp.). Habe eine ganze Zeit lang bei Speckenbach in der Erdhöhle gelegen, und haben uns da so allerhand Neuigkeiten gegenseitig erzählt. Er weiß allerdings wenig von Hause, nur das [sic] seiner Familie noch gut geht, und das ist ja die Hauptsache. Daß bei Enders die Arbeiterentlassungen waren, darüber hat er sich sehr gewundert. Seit Anfang des Jahres bekommt er wieder halbe Monatsgehalt ausgezahlt. Er meinte, weil die Firma soviel für die andern täte, hätte man für ihn auch mal eine Reklamation versuchen können. Besonders ist er auch empört über den Urlaub Nachrodt. – Heute Abend sobald es dunkel wird gehen wir wieder in den Granatwald. Morgen wird die Sache sich wahrscheinlich wiederholen. Dann kommen wir 2 Tage in die erste Stellung. Sitze augenblicklich in einer Krankenträgerbude und schreibe den Brief. Einen Verwundeten hatten wir gleich heute Morgen. Ein Landwehrmann, von unserm Ersatz, bekam einen leichten Hals-Streifschuß. Hoffentlich bleibt es dabei. Nach diesen Tagen bekommen wir 4 Tage Ruhe. Die Karte von Ra. lege ich bei. Ra. avisieren auf der Karte 1 Paket, sobald ich diese erhalten, schreibe ich ihm. Soll mich wundern, wo Erich hin ist zum Ausbilden. Vielleicht hier in Feindesland. Denn in Belgien liegen in allen großen Städten, auch ganz dicht hinter der Front, Rekruten, die ausgebildet werden. Mit dem Tode Mettberg wußte ich schon. Hatte ich dann wohl vergessen, Dir mitzuteilen. Sonst nichts Neues. Auch 6 Seiten voll, es ist allerhand, nicht wahr? Sollte ich keine Gelegenheit haben hier aus der Stellung in den anderen Tagen zu schreiben, folgt mein nächster Brief am 17. ds. Monats. Grüße unsere l. Kinder, auch alle im Hause oben und die sonst noch nach mir fragen. Besonders sei Du herzlichst gegrüßt und geküßt von
Deinem Ernst


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