aber es ist eben Krieg

Meine liebe Lydia!

Heute morgen früh sind wir gegen 9 Uhr wieder in unserem alten Quartier angelangt. Jetzt ist es 10 Uhr morgens. Es ist sehr warm draußen und habe ich schon ein gehöriges Schwitzbad genommen. Es war ein herrlicher morgen, alle Bäume in voller Blüte, wenn nur der Tornister nicht so schwer wäre, aber es ist eben Krieg. Dieses Mal hatten wir hierher einen anderen Weg. Gingen von Cheluwe, über Chellufeld, Zaanfoorde. Es standen nur noch von all den Dörfern noch Ruinen. Ein sonderbares Bild. Die Gärten und Bäume in voller Blüte, die zugehörigen Gebäude vom Erdboden fast verschwunden. Hier und da sah ich Spalierobst an den noch stehen gebliebenen Mauerteilen herrlich blühen. In den Fluren sieht man überall weiße Kreuze von gefallenen Kriegern, die von den im November stattgefundenen Stürmen sprechen. Weitere Ereignisse sind mir nicht bekannt hier, nur hieß es am rechten Flügel hätten wir einen Angriff gemacht, was auch durch den den ganzen Tag anhaltenden Kanonendonner bestätigt wurde. Von Erfolgen hörte ich nichts. Die deutschen Unterseeboote sollen noch einen englischen Funkspruch abgefangen haben, welcher besagte, daß sie Ypern nicht mehr halten könnten. Ypern wird bekanntlich jetzt von vorn und von der Flanke von der Artillerie heftig beschossen. Unsere Comp. wird wahrscheinlich morgen oder übermorgen in die alte Stellung einrücken. Bestimmt weiß ich es nicht, da sich jeden Augenblick die Lage verändert. – Gestern abend erhielt ich mit der Post nur 1 Paketchen von Dir mit Kuchen und Seife. Den Kuchen habe ich sofort mir gut munden lassen. Gestern Abend bekamen wir Eier und die haben wir uns heute morgen in die Pfanne schlagen lassen und gegessen vor dem Abmarsch. Aber Kerzen schicke keine mehr. Die Nächte sind hier so kurz, daß ich sie nicht mehr gebrauche. Soeben kommt Speckenbach. Er weiß nichts Neues zu berichten. Da morgen Vaters Geburtstag ist, bist doch gewiß in Wiblingwerde. Meine Gratulation habe ich schon glaube ich, am 24.oder 25. abgeschickt. Hat man von Trimpops Robert schon wieder was gehört? Sonst weiß ich nichts Neues mehr zu berichten. Heute, denke ich, wird wohl wenig Dienst sein. Wahrscheinlich ein Löhnungsapell. Werde Dir dann 30 M zuschicken. Auch wenn ich einen Karton bekommen kann, schicke ich meine Winterwäsche nach dort. Ob die andere Wäsche angekommen ist? Grüße Remscheids u. Klara. Auch Gruß und Kuß für unsre l. Kinder.
Vor allem sei Du herzlich gegrüßt und geküßt allerbeste,

Dein Ernst


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