keinen anderen Wunsch, als den sehnlichst herbeigewünschten Frieden

Meine liebe Lydia!

Heute einen Brief, der mich für diesesmal auf dem schönsten Feste, das die ganze Welt kennt, ersetzen soll. Ich denke dabei zunächst an die vielen schönen Tage vor dem eigentlichen Feste. Die Freude der Kinder, die schönen Weihnachtslieder, die wir alle vorher gesungen, immer und immer wieder. An die leuchtenden Augen der überglücklichen Kinder, während der Schmückung des im ganzen deutschen Vaterlande unentbehrlichen Baumes. Dich sehe ich in der Küche hantieren, die Schubfächer zum so und so vielten Male öffnen, ob auch alles zur Hand ist, und jedem der Wunsch nach Möglichkeit erfüllt werden kann. Denn ich fühle es hier wohl am besten, und sie hat mir schon so oft gefehlt, die rührend und für alles sorgende Mutterhand. Und wie ist es doch so alles anders in diesem Jahre. Die Kinder selbst, wie es in ihren Briefen und Karten wiederholt zum Ausdruck kam, kennen fast keinen anderen Wunsch, als den von uns allen so sehnlichst herbeigewünschten Frieden. Und doch dürfen wir hadern? Wenn wir nicht alle zusammen feiern können? Nein! Denken wir nur an die vielen Familien, die Ihr Liebstes, sei es der Vater, der Bruder, oder der Sohn, für das Vaterland dahin gegeben haben, und nun für alle Zeit darunter zu leiden haben. Wir können nicht dankbar genug sein, wenn uns das nächste Weihnachtsfest alle wieder zusammen führt. Und dies hoffen und wünschen wir wohl alle. Aller Voraussicht nach werde ich die Feiertage auf Bahnwache in St. Hubert verleben. Den heiligen Abend werden wir hier zubringen. Als Geschenk soll uns allen 1 Messer mit Inschrift zuteil werden. Auch soll jede Korporalschaft einen Weihnachtsbaum erhalten. Im übrigen kann jeder seinen Weihnachtstisch aus den jeden Tag reichlich eingehen[den] Liebesgaben seiner Angehörigen ergänzen. Es ist manchmal rührend, wenn man sieht, von wo hier die Liebesgaben alle kommen. Und es zeugt von der rührenden Sorge unserer Lieben daheim, um uns. Die Pakete von dort vom Frauenverein sind noch nicht hier angekommen. Schnickmann bekam gestern eins vom roten Creuz, welches von einem Altenaer Kind geschenkt war, mit einem schönen einliegenden Brief von diesem. Gestern bekam [ich] folgende Post: 1 Karte von Marga, 1 Karte von Egon, 1 Brief von Marga, Egon und Dir. Sonst wüßte ich nichts Neues zu berichten. Ich schließe meinen Brief wohl am besten, und schönsten Gruße [sic], indem ich Euch allen, meine Lieben, ein gesegnete Weihnachtsfest wünsche, dann noch herzliche Grüße und Küsse, für die Kinder auch,
Dein Ernst

Nach den Feiertagen kann ich mal wieder 1 Paket mit Lebensmittel Butter, Wurst, Käse etc. gebrauchen.


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