15,00 m an den feindlichen Stellung

Meine liebe Lydia!

Heute sollst Du auch mal etwas von mir hören. Den 1. morgens um 4 Uhr rückten wir aus zu den Schützengräben und heute morgen um 6 Uhr wurden wir abgelöst. Direkt auf dem Wege nach dort erhielten wir die Feuertaufe. Ein Mann wurde durch Schenkelschuß verwundet. Bevor wir die Schützengräben erreichen, müssen wir einen ca 1 km langen Zulaufgraben passieren, welcher ständig unter feindlichem Feuer gehalten wird. Unsere Stellungen liegen im Walde, sind fest verschanzt und bis auf 15,00 m an einigen Stellen an den feindlichen Stellungen. Die ersten 2 Tage waren wir in Reservestellung, und die beiden letzten Tage in vordersten Stellungen. Jetzt haben wir 2 Tage Ruhe und dann geht es wieder 4 Tage dahin. So wechseln die einzelnen Comp. Wir hatten im ganzen 2 Verwundete in unserer Comp. Das Schlimmste ist hier das Wasser. Ständig muß Wasser aus den Gräben gepumpt oder geschöpft werden. Das Idyll der Gräben, worüber viel in den Zeitungen geschrieben wird, fehlt hier vollständig. Die Verpflegung ist sonst ganz gut. Doch ist das Mittagsessen manchmal recht kalt, da infolge der Artillerie die Feldküche ziemlich weit zurück ist und zudem liegt unsere Stellung ganz auf dem Berge. Die ganzen Dörfer und auch Waldungen sind hier mit dem Erdboden gleich gemacht. Hoffentlich nimmt die Sache bald eine günstige Wendung für uns. Wie ist es eigentlich sonst mit Siegen, ob, auf unserer Linie? Man hört hier rein garnichts von der Welt. Hoffentlich bekomme ich auch bald Post von dort. Schicke mir mal etwas Schokolade, Kniewärmer könnte ich auch gebrauchen. Fleisch und Wurst schicke nicht, das giebt es hier reichlich. Heute schickte ich Dir 60 M zu. Ich weiß hier mit dem Gelde nichts anzufangen. Arrak, Punsch [?] oder sonst Essenz schicke mal ab und zu. Wir können in den Gräben uns Wasser dazu kochen und kann er dann am Erwärmen helfen. Sonst nichts Neues. Schreibe ausführlich, so Gott will, mal alles. An Urlaub ist hier jedoch nicht dran zu denken. Sonst alles wohl, hoffentlich auch dort. Dann mit Gott und herzl. Gruß und Kuß, auch für unsere Kinder
Dein Ernst

Während wir das letzte mal unsere Ruhe in Scheunen hatten, logieren wir heute in einer Baracke. Morgen gehen wir nach Werwick zum Baden. Waschen kann man sich in den Tagen nicht.
Ein Paketchen Kerzen schicke bitte auch. Es ist das einzige Licht, was wir hier haben.
Gruß an Alle.


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